Schriftliche Arbeit – Hypnosystemische Supervision – Matthias Otto

Thema: Mediation vs. Supervision

Was sind die Unterschiede?
Wo liegen Gemeinsamkeiten?
Ist Crossover möglich?

 

 

  1. Geschichte

Die Supervision kommt ursprünglich aus dem Sozialbereich und wurde etwa ab 1950 in den USA in der heutigen Art praktiziert. Man verstand Supervision anfangs nur als Praxisberatung in der sozialen Arbeit. Im Laufe der Zeit fand sie aber Anwendung in vielen Bereichen.

Die Mediation ist deutlich älter und hat sich im Laufe der Zeit über archaische Schlichtungsrituale zu der heute üblichen Konfliktvermittlung entwickelt. Der amerikanische Kongress schafft die gesetzlichen Grundlagen für Mediation bei Arbeitskonflikten übrigens schon 1898.
Mediation kann von Gerichten als außergerichtliche Einigungsmöglichkeit angeordnet werden, hat sich davon aber emanzipiert und wird heute in vielen Kontexten praktiziert.

 

  1. Anwendungsgebiete

Die Mediation ist ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren, Beratung ist dabei eher unüblich. Sie widmet sich einem akuten Problem. Die Auflösung dieser Problematik steht im Fokus der Mediation. Die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien wird strukturiert und ist klaren Regeln unterworfen.
Bei der Supervision hingegen geht es auch viel um die Offenlegung von Interaktionen und Verhaltensmuster.
Anders als der Mediator/die Mediatorin, ist der Supervisor/die Supervisorin auch Berater*in.
Funktioniert beispielsweise die Zusammenarbeit im Team nicht, ist das ein Punkt, an dem in einer Supervision gearbeitet werden kann. Wenn es dabei einen konkreten Konflikt gibt oder konkrete Fragen, kommt stattdessen oder zusätzlich auch die Mediation in Frage.
In der Supervision können sich anbahnende Konflikte früh erkannt und bearbeitet werden, bevor daraus ein größerer Konflikt erwächst.
Wenn der Mediator/die Mediatorin gerufen wird, ist der Konflikt in der Regel schon ausgebrochen, vielleicht schon eskaliert.

  1. Gemeinsamkeiten

Grundsätzliche Gemeinsamkeit beider Verfahren ist die Verpflichtung zu Überparteilichkeit und Verschwiegenheit, was hier nicht näher erläutert werden muss.
Wichtig und zu erwähnen wäre noch, dass es keine inhaltlichen Entscheidungen des Mediators/der Mediatorin bzw. des Supervisors/der Supervisorin geben sollte und die Annahme, dass die Lösung des Problems oder der Fragestellung sowieso schon in den Mediand*innen/Supervisand*innen ruht und im Prozess aktiviert werden kann.
Weitere Gemeinsamkeiten wären noch:
Sowohl die Mediation, als auch die Supervision können mit Gruppen durchgeführt werden. Supervision ist zusätzlich auch mit Einzelpersonen möglich.
In beiden Verfahren ist es wichtig, eine gute, zielführende und gewaltfreie Kommunikation herzustellen.
Die ursächlichen Konflikte sind oft sehr ähnlich.
Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass wenn auch zu verschiedenen Zeitpunkten, die Positionen in Frage gestellt und Hintergründe beleuchtete werden.
Beide Systeme fördern die Selbstwirksamkeit der Klienten, bzw. stellen sie wieder her.

  1. Begrifflichkeiten

Ob Coaching, Supervision, Mediation oder Moderation, die Begrifflichkeiten sind oft nicht klar definiert oder abgegrenzt und liegen inhaltlich je nach Auslegung und Interpretation nahe beieinander.

  1. Unterschiede

Es stellt sich also die Frage nach den Unterschieden bzw. wo befinden sich die Grenzen zwischen den einzelnen Verfahren und wo gibt es inhaltliche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten.
Daraus ergibt sich dann die Frage, wie kann man sich diese Erkenntnisse in der Praxis zunutze machen und sich einzelner Techniken der verschiedenen Verfahren bedienen.
Wieweit ist das zielführend und wo sind die Grenzen?

Explizit werden diese Fragen hier an den Beispielen Mediation und Hypnosystemische Supervision (HSSV) besprochen.

Es wird Bezug genommen auf das meistgebräuchliche 5 Phasenmodell in der Mediation und die Hypnosystemische Supervision nach Milton Erickson (HSSV).

Das 5 Phasenmodell in der Mediation sieht etwa folgendermaßen aus:
1 – Mediationsvereinbarung
Fragen zum Verfahren, Auftragsklärung, Fristen, Termine, Kosten
2 – Themensammlung
Was muss geklärt werden, um zu einer Lösung zu kommen? Darlegung der Sichtweisen und Themen der Parteien. Was ist strittig, was unstrittig?
3 – Konflikterhellung
Erhellung der Hintergründe; Klärung von Interessen, Wahrnehmungen, Bedürfnislagen und Missverständnissen
4 – Lösungsfindung
Gemeinsame Entwicklung von Ideen und Lösungsoptionen.
Ideensammlung, Bewertung und Auswahl der Lösungsoptionen
5 – Abschlussvereinbarung
Abschluss- und Mediationsvereinbarung

Das adäquate Verfahrensmodell der HSSV:
1 – Problem
2 – Wunsch
3 – Ziel
4 – Auftrag
(Die Einzelheiten werden als bekannt vorausgesetzt.)

Die Mediation wird eher als Konfliktlösungsverfahren beschrieben, die HSSV meist als offenere Beratungsform, wobei bei letzterer natürlich auch eine Lösung des Konfliktes bzw. des Problems angestrebt wird.

  • Das Ziel
    Bemerkenswert ist, dass bei der Mediation schon recht früh, nämlich in der Zweiten Phase, der Themensammlung, das Ziel definiert wird. Die Antwort auf die Frage „Was möchten Sie hier erreichen?“ wird zur Orientierung quasi als Überschrift relativ festgeschrieben. Das aus der HSSV bekannte Pacing findet zu diesem frühen Zeitpunkt des Prozesses kaum bis gar nicht statt und kommt, wenn überhaupt, erst in der dritten Phase zum Tragen. Im Gegensatz dazu wird dem Pacing bei der HSSV viel Raum gelassen und das vor allem in der Anfangsphase.
    Das Ziel wiederum wird bei der HSSV erst relativ spät definiert. Das kann den Vorteil haben, dass es dann meist auch das wirkliche Ziel ist. Bei der Mediation kann es durchaus passieren, dass sich das ursprüngliche Ziel im Prozessverlauf als untergeordnet oder gar nicht relevant herausstellt und ein neues erarbeitet werden muss. Durch intensives Pacing und Erfragung der Wünsche bei der HSSV können Ziele gerade bei großer anfänglicher Unklarheit im weiteren Verlauf des Verfahrens oft gut und stimmig benannt werden.
  • Das Problem
    Während bei der Mediation das Problem bzw. der Konflikt vorher relativ klar umrissen ist, erscheint die Ausgangslage bei der HSSV viel diffuser und unklarer. Das kann auch erstmal so bleiben um mit Hilfe von ausgiebigem Pacing das Suchfeld zu erweitern und einen guten Rapport herzustellen.
    In der Mediation orientiert sich der Prozess immer an diesem relativ klar benannten Problem oder Konflikt, nur so funktioniert das Verfahren gut. Bei der HSSV ist es oft sogar von Vorteil, wenn das Problem eher vage formuliert und nicht ganz klar ist, weil es dann eher die Möglichkeit gibt, durch Pacing, Metaphernarbeit und Wunscherfragung das Problem besser zu fassen und letztlich zu benennen.
  • Der Rapport
    wird in der Mediation überhaupt nicht beschrieben. Aber natürlich wird er speziell in Phase 3, der Konflikterhellung, angestrebt. Der Schwerpunkt liegt hier aber auf dem Rapport zwischen den Mediand*innen und nicht so sehr auf dem zwischen Mediand*in und Mediator*in.
    Im Gegensatz dazu ist der Rapport zwischen Supervisor*in und Supervisand*in bei der HSSV enorm wichtig und deshalb wird dem gerade am Anfang höchste Priorität eingeräumt.
  • Die Lösung
    orientiert sich bei der Mediation an der von vornherein konkreterer Fragestellung und muss dem entsprechend auch konkret sein.
    Bei der HSSV kann die Lösung vielfältiger und unkonkreter sein. Dies ist vor allem dem meist weich formulierten Ziel geschuldet. Eine mögliche Lösung kann z. B. ein weiterer oder konkreterer Auftrag sein.
  • Der Auftrag
    Beim Auftrag sind die Unterschiede am deutlichsten. Während bei der Mediation der Auftrag von vornherein aber spätestens in der zweiten Phase, der Zielformulierung, feststeht, entwickelt er sich bei der HSSV erst im Laufe des Prozesses und erst wenn das Ziel relativ klar ist und ein guter Rapport hergestellt ist wird klar, ob es einen Auftrag gibt und wie der aussieht.
    Natürlich kann sich auch bei der Mediation der Auftrag ändern. Das ist aber in der Regel nur dann der Fall, wenn sich an der oder den Zielformulierungen etwas gravierend ändert. Der Auftrag ist hier also relativ fest an das Ziel gekoppelt.
    Bei der HSSV ist der Auftrag in der Regel weicher und somit offener formuliert und stellt auch oft erst den Beginn der eigentlichen Lösungsfindung dar. Es kann z.B. ein Auftrag sein, in gemeinsamer Benennung und Würdigung des Problems zu beschließen, in den eigentlichen Lösungsprozess überhaupt einzutreten und zusammenzuarbeiten. Das ist deshalb so, weil das Problem auch in dieser fortgeschrittenen Phase noch nicht so eng und klar umrissen sein muss, wie bei der Mediation.

 

In folgender Tabelle werden die Unterschiede der Verfahren noch einmal gegenübergestellt:

Mediation

HSSV

Konfliktlösungsverfahren

Beratungsform

Lösungsorientiert

Lösungs- und Strategieorientiert, Strukturorientiert

Ein vorher relativ klarer Konflikt wird bearbeitet

Es ist offen, was besprochen wird, insgesamt ist das Verfahren offener.

Möglich mit 2 oder mehrere Personen

Einzel oder Gruppen-SV ist möglich

Vorschläge des Mediators sind tabu

Vorschläge des SV sind möglich

Der Rahmen/die Regeln sind klar vorgegeben

Kein klarer Ablauf, eher eine flexible Struktur

Auftrag am Anfang

Auftrag viel später

Ziel relativ am Anfang

Ziel später

Pacing findet eingeschränkt statt

Pacing ist sehr wichtig

Rapport wird eher durch die Zielfindung vorausgesetzt

Rapport wird am Anfang erarbeitet

 

 

 

 

  1. Fazit:

Bei einem konkreten, relativ klar abzugrenzenden Problem oder einem konkreten Konflikt erscheint die Mediation das bessere Verfahren zu sein. Hier ist das Problem/der Konflikt relativ klar benannt und wird mit einem klar strukturierten System bearbeitet. Im Verlauf der Mediation, besonders in Phase 3, der Konflikterhellung, bietet diese Struktur Raum für Ausschweifungen, Wünsche, Fantasien, Pacing im erweiterten Sinne. In der vierten Phase, der Lösungsfindung wird es aber wieder sehr konkret. Natürlich ist es möglich und auch oft indiziert einen Schritt zurückzugehen, weil sich beispielsweise in der Konflikterhellung herausstellt, dass das vorher formulierte Ziel gar nicht das hauptsächliche Ziel ist oder sich bei der Lösungsfindung noch andere, wichtige Aspekte ergeben, die in Phase 3 noch einmal intensiv besprochen werden müssen.
Bei all dieser inneren Flexibilität haben aber alle Beteiligten die Sicherheit einer festen Struktur an der man sich gut orientieren kann.

Die Supervision und speziell die HSSV kommt eher im Beratungskontext zum Einsatz und in fortlaufenden Beratungen sowieso.
Funktioniert beispielsweise die Zusammenarbeit im Team nicht, ist das ein Punkt, an dem gut in einer Supervision gearbeitet werden kann.
Gerade die lose, oft am Anfang gar nicht vorhandene Zielstellung bietet Raum für ausgedehntes Pacing und somit Suche nach den wirklich relevanten Themen, die dann einzeln oder komplex weiterverfolgt werden können.
Orientierung bietet hier in erster Linie der Supervisor/die Supervisorin durch den herzustellenden Rapport. Durch das offenere System sind auch Interventionen und Vorschläge des Supervisors/der Supervisorin möglich.

Bei einer sich gut entwickelnden Mediation wandelt sich die Kommunikation von der anfänglichen Fixierung der Mediand*innen auf den Mediator/die Mediatorin zur direkten Kommunikation zwischen den Mediand*innen. Die Rolle der Mediator*in wandelt sich im Verlauf dann immer mehr in Richtung reiner Prozessbegleitung.
Dieser Effekt ist auch bei der HSSV zu beobachten, bei weitem aber nicht so stark. Hier ist der Supervisor/die Supervisorin viel mehr Teil des Prozesses.
Die HSSV lebt also zu großen Teilen von der Beziehung zwischen Supervisor*in und Supervisand*in. Letztere haben größeren Einfluss auf die Struktur des Gesprächs als bei der Mediation.

Da die beiden Verfahren doch thematisch eng beieinander liegen und die potenziellen Mediand*innen, bzw. Supervisand*innen die Unterschiede vermutlich nicht so genau kennen, es ihnen möglicherweise sogar egal ist, wie das Prozedere nun heißt, kann man bei entsprechenden Voraussetzungen nach Bekanntwerden der ungefähren Problemlage das geeignet erscheinende Verfahren vorschlagen.
Wenn sich die Beteiligten für eines von Beiden entschieden haben, sollte man sich aber dann an die jeweiligen Abläufe halten. Das heißt, ein wildes Crossover ist aus Autorensicht nicht möglich.

Möglich erscheint die Verbindung beider Verfahren, indem man einen konkreten Konflikt mit Hilfe der Mediation löst und den weiteren Prozess mit all seinen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten supervisorisch weiter begleitet.

Die zur Verwendung stehenden Kommunikationstechniken sind aber sowieso gleich oder sehr ähnlich. Es geht halt in beiden Verfahren neben dem Erreichen von mehr oder weniger konkreten Zielen um die Verbesserung der Kommunikation.